Positionspapier
der Initiative Bürger im Neckartal (BI) zu den Planungen einer Großanlage der EnBW AG in Walheim zur Trocknung und Verbrennung von Klärschlamm
1. Ablehnung
Die Initiative vieler Bürgerinnen und Bürger besonders aus Walheim und Gemmrigheim lehnt die Großanlage für die Trocknung und Verbrennung von Klärschlamm (KVA) auf dem Kraftwerksareal der EnBW in Walheim ab und unterstützt die Beschlüsse der Gemeinderatsgremien von Walheim, Gemmrigheim, Besigheim und Kirchheim gegen dieses Vorhaben der EnBW AG. Die BI fordert die EnBW AG auf, die Bürgerinnen und Bürger und die Beschlüsse der Gemeinderatsgremien ernst zu nehmen und die nach der Stilllegung des Kohlekraftwerks eines Tages freiwerdende Fläche einer Nutzung zuzuführen, die Mensch und Umwelt in dem vom Weinbau geprägten engen Neckartal gerecht wird. Die BI bietet dafür die konstruktive Mitarbeit an.
In einer Online-Petition sprachen sich bis Mai 2022 insgesamt über 3450 Bürgerinnen und Bürger vorwiegend aus Walheim und Gemmrigheim gegen das Vorhaben aus. Bereits im Herbst 2021 wandten sich in Äußerungen zur Fortschreibung des Flächennutzungsplans des Gemeindeverwaltungsverbands Besigheim 2020 – 2035 rund 980 Bürgerinnen und Bürger vor allem aus Walheim, Gemmrigheim und Besigheim gegen das Vorhaben.
Ursprünglich wollte die EnBW AG die Anlage auf ihrem Kraftwerksareal im Industriegebiet an der Autobahn in Heilbronn bauen, was die Stadt Heilbronn wegen der von der Klärschlamm-Verbrennung ausgehenden Belastungen ablehnte. Nach dieser Ablehnung möchte die EnBW AG die KVA nun auf ihrem Gelände in Walheim bauen, auf dem seit Jahrzehnten mit Kohle und Erdöl Strom erzeugt wird. An dieser engen Stelle im Neckartal mit Wohngebieten in direkter Nachbarschaft wären die Belastungen für Mensch und Umwelt wegen des Dauerbetriebs erheblich gravierender.
Die KVA widerspricht auch der Absicht von Land und Regionalverband, den Neckar für Mensch und Umwelt aufzuwerten. In diesem Sinne vereinbarten Besigheim, Gemmrigheim, Hessigheim, Neckarwestheim, Mundelsheim und Walheim schon im Jahr 1973 bei der Gründung des gemeinsamen interkommunalen Industriegebiets auf der Ottmarsheimer Höhe, künftig von weiteren Industriegebieten im reizvollen Neckartal abzusehen.
2. Umweltbelastung, insbesondere Luft und Verkehr
Der Klärschlamm soll aus einem Umkreis von 100 Kilometern mit täglich bis zu 60 LkWs (=120 Fahrten) nach Walheim verbracht werden, über jetzt schon völlig überlastete Verkehrswege wie die B 27 oder der Autobahnzubringer von der Abzweigung Mundelsheim über die Neckarbrücke bei Kirchheim. Von diesen 120 LKWs geht nicht nur ein erhebliches Maß an Schadstoffemissionen, sondern aufgrund der Topgraphie auch eine massive Lärmbelästigung aus.
Nach einer landesweiten Übersicht der „Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V.“ (DWA) fehlen offensichtlich in den Regionen Heilbronn-Franken und Ostwürttemberg Standorte für deren regionale Klärschlammverbrennung. Deshalb soll der Klärschlamm vor allem aus dortigen Kläranlagen kommen. Die Region Stuttgart hat in Stuttgart-Mühlhausen und in Böblingen Standorte für die Verbrennung, Walheim wäre ein dritter Standort und die größte Anlage dieser Art im ganzen Land.
Das bei der Trocknung des Klärschlamms anfallende Abwasser (sog. Brüdenwasser) von 10 Tonnen pro Stunde würde die EnBW AG in der fünf Kilometer entfernten Kläranlage von Bietigheim-Bissingen reinigen, da dafür eine große Kläranlage benötigt wird. Dazu müsste von Walheim durch Besigheim eine neue Leitung gebaut werden. In den zum Scoping Termin am 26.10. beim RP Stuttgart eingereichten Unterlagen der ENBW AG wird erstmals dargestellt, dass statt der Brüdenleitung der Abtransport auch mit täglich zusätzlich 15 Gefahrgut-Tank-LKW bewerkstelligt werden kann. Dies ist ein Hinweis darauf, dass die Klärschlammverbrennung in unmittelbarer Nähe einer großen Kläranlage erfolgen sollte, was in Walheim nicht gegeben ist. Die zusätzliche Belastung der Raumschaft mit weiteren 30 LKW Fahrten zeugt von großer Ignoranz gegenüber elementaren Grundwerten der Regierungspartei.
Der Ausstoß an Luftschadstoffen wird unterhalb der vorgeschriebenen Grenzwerte nach Bundes-Immissionsschutz-Verordnung (BImSchV) bleiben. Die Schadstofffracht p.a. beim vorgesehenen 24 Stunden Betrieb an 365 Tagen liegt nach eigenen Hochrechnungen der BI für 9 Stoffe (Chlor, Schwefel, Quecksilber, etc) bei rund 74 Tonnen. Die EnBW AG hat zwischenzeitlich für Staub, Quecksilber und Stickoxid eine Masse von 25 Tonnen bestätigt. Die restlichen Tonnagen können von der EnBW AG erst nach Abschluss der noch laufenden Gutachten beziffert werden.
Beim Scopingtermin am 26.10.2022 wurde der erhebliche Ausstoß großer Mengen an Lachgas aus dem Betrieb diskutiert. Offenbar gibt es dafür noch keine Grenzwertregelungen. Die Auswirkungen auf die Umwelt sind nicht hinlänglich erforscht. Dennoch ist die EnBW AG aufgefordert dafür Umweltgutachten zu erstellen.
Die EnBW AG propagierte für das Projekt auch mit dem Hinweis, dass in Walheim ein bedeutsamer Standort für Umwelttechnik mit qualifizierten Arbeitsplätzen entstehen würde. Zu der Klärschlammverbrennung kämen später noch das Recycling von Phosphor und anderes hinzu. Dem wurde bei der Dialogveranstaltung am 1. April in Walheim von Dr. Werner Maier / DWA entschieden widersprochen, da dies wegen der nahen Wohngebiete rechtlich gar nicht möglich sei. Noch während der Veranstaltung bestätigte die EnBW, dass kein Recycling von Phosphor (mehr) am Standort Walheim geplant werde.
3. Energieausbeute und Klassifizierung der geplanten Anlage
Die EnBW AG kommunizierte bisher, dass der bei der Klärschlammverbrennung erzeugte Strom für den Betrieb der Anlage benötigt werde. In der Tat ist zur Trocknung des Klärschlamms viel Energie erforderlich. Überraschend rückt neuerdings die EnBW AG davon ab und erklärt, dass damit 450 Haushalte mit Strom versorgt werden könnten. Das Unternehmen will wohl erreichen, dass die Klärschlammverbrennung als Projekt zur Elektrizitätsversorgung eingestuft wird, für die das Gelände seit den 60er Jahren genutzt wird.
Die Aussage der EnBW AG, mit der bei der Verbrennung entstehenden Abwärme 300 Haushalte mit Nahwärme versorgen zu können, geht einher mit der geänderten Nomenklatur eines „Klärschlammheizkraftwerkes“. Für die Abnahme der Nahwärme besteht in den Wohngebieten von Walheim aber gar keine Infrastruktur. Es müssten Leitungen verlegt werden in Straßen und Grundstücken, ganz abgesehen von den Umbauten in den Gebäuden in dem in Jahrhunderten gewachsenen Ort. In Kirchheim und Gemmrigheim vorhandene kleine Nahwärmenetze werden bereits über existierende Kleinkraftwerke versorgt. Für deren Anbindung wären kilometerlange Fernwärmeleitungen erforderlich.
Die von der Anlage hauptsächlich produzierte Energie ist Wärme, denn sie dient ja dem Zweck der Klärschlammverbrennung. Eine Anpassung des Betriebs an heizungstypische saisonale Schwankungen der noch zu findenden Abnehmer ist nicht vorgesehen. Bei nicht Nichtabnahme der erzeugten Wärme wird billigend in Kauf genommen, die Wärme an die Umwelt abzugeben und so einen weiteren Beitrag zur Erderwärmung zu leisten.
Die BImSchV klassifiziert sogenannte Mono-Klärschlammverbrennungsanlagen des in Walheim vorgesehen Typs eindeutig als Abfallentsorgungsanlage und nichts anderes. Auch dies wurde am 1.4. von Dr. Maier/ DWA gegenüber der EnBW AG eindeutig klargestellt.
4. Widerspruch zu bestehenden, gültigen Plänen
Das EnBW-Gelände in Walheim ist im Regionalplan als Vorrangfläche für überregional bedeutsame Kraftwerke ausgewiesen. Selbst wenn „interlokal“ wenige Haushalte angebunden werden könnten, ist die Anlage zur Trocknung und Verbrennung von Klärschlamm niemals ein überregional bedeutsamer Kraftwerksbetrieb. Das Gelände der EnBW AG in Walheim ist weder im Regionalplan noch im Flächennutzungsplan des Gemeindeverwaltungsverbands Besigheim (FNP des GVV) für die Abfallverwertung vorgesehen.
Damit ist aus Sicht der BI ein Widerspruch zum Regionalplan gegeben. Die Argumentation, dass nach Errichtung einer KVA noch genügend Platz für überregional bedeutsame Kraftwerksanlagen frei bleibt, kann schon allein deshalb nicht greifen, da derzeit noch gar nicht bekannt ist, welche Flächen moderne, die Kohle- und Ölverstromung ablösende Systeme wie etwa Brennstoffzellentechnik benötigen werden.
Im jetzt zur Fortschreibung bis 2035 kommenden Flächennutzungsplan des GVV Besigheim ist die gelb eingefärbte Fläche zwar mit Versorgungsanlagen, Abfallentsorgung und Abwasserbeseitigung überschrieben. Die konkrete Nutzung wird jedoch mit den Zeichen für Elektrizität und Umformung spezifiziert. Diese entspricht dem ursprünglichen Planungswillen der Kommunen in den 60er Jahren sowie dem der Anliegergemeinden, der zu den 2021 getroffenen Entscheidungen der Ablehnung führte. Um die durch die EnBW AG in die Diskussion gebrachte erweiterte Nutzung durch Abfallentsorgung gegen ihren Willen auszuschließen, beschlossen die Gemeinderatsgremien von Besigheim, Gemmrigheim und Walheim entsprechende Ergänzungen im Rahmen des Verfahrens zur Fortschreibung des FNP im GVV. Der GVV hat in seiner Sitzung vom 19.9.2022 entschieden, die Zweckbestimmung Elektrizität für die Kraftwerksfläche in Walheim im Satzungbeschluss Anfang 2023 weiter fest zu schreiben.
In den Unterlagen zur Prüfung der Umweltverträglichkeit der geplanten Anlage nimmt die EnBW AG erneut nur auf die Überschrift des Flächenausweises im FNP Bezug (Versorgungsanlagen, Abfallentsorgung, Abwasserbeseitigung). Die explizit im Plan aufgeführte spezifische Kennzeichnung „Elektrizität“ wird nicht diskutiert. Zum ersten Mal wird dort auf Seite 24 aufgrund des fehlenden Bebauungsplanes als unbeplanbarer Innenbereich gemäß § 34Abs.1 BauGB deklariert. Damit wird vermutlich versucht die in FNP und Regionalplan getroffenen Vorschriften außer Kraft zu setzen.