Positionspapier
der Initiative Bürger im Neckartal (BI) zu den Planungen einer Großanlage der EnBW AG in Walheim zur Trocknung und Verbrennung von Klärschlamm
1. Ablehnung
Die Initiative vieler Bürgerinnen und Bürger insbesondere aus Walheim und Gemmrigheim lehnt die Großanlage für die Trocknung und Verbrennung von Klärschlamm (KVA) auf dem Kraftwerksareal der EnBW in Walheim ab und unterstützt die Beschlüsse der Gemeinderatsgremien von Walheim, Gemmrigheim, Besigheim und Kirchheim gegen dieses Vorhaben der EnBW AG. Die BI fordert die EnBW AG auf, die Einwände ernst zu nehmen und die nach der Stilllegung des Kohlekraftwerks eines Tages freiwerdende Fläche einer Nutzung zuzuführen, die Mensch und Umwelt in dem vom Weinbau geprägten engen Neckartal gerecht wird. Die BI bietet dafür ihre konstruktive Mitarbeit an.
In einer Online-Petition sprachen sich von November 2021 bis Mai 2022 insgesamt 3.500 Bürgerinnen und Bürger vorwiegend aus Walheim und Gemmrigheim gegen das Vorhaben aus. Bereits im Herbst 2021 wandten sich in Äußerungen zur Fortschreibung des Flächennutzungsplans (FNP) des Gemeindeverwaltungsverbands (GVV) Besigheim 2020–2035 rund 980 Bürgerinnen und Bürger vor allem aus Walheim, Gemmrigheim und Besigheim gegen das Vorhaben.
Ursprünglich wollte die EnBW AG die Anlage auf ihrem Kraftwerksareal im Industriegebiet an der Autobahn in Heilbronn bauen, was die Stadt Heilbronn wegen der von der Klärschlamm-Verbrennung ausgehenden Umweltbelastungen ablehnte. Nun möchte die EnBW AG die KVA nun auf ihrem Gelände in Walheim bauen, auf dem seit Jahrzehnten mit Kohle und Erdöl Strom erzeugt wird. An dieser engen Stelle im Neckartal mit Wohngebieten in direkter Nachbarschaft wären die Belastungen für Mensch und Umwelt wegen des Dauerbetriebs erheblich gravierender. Zudem wird die vorhandene VerkehrsInfrastruktur (Überlandleitungen, Wasser- und Bahnanschluss weitgehend ungenutzt gelassen.
Die KVA widerspricht auch der Absicht von Land und Verband Region Stuttgart (VRS), den Neckar für Mensch und Umwelt aufzuwerten. In diesem Sinne vereinbarten Besigheim, Gemmrigheim, Hessigheim, Neckarwestheim, Mundelsheim und Walheim schon im Jahr 1973 bei der Gründung des gemeinsamen interkommunalen Industriegebiets auf der Ottmarsheimer Höhe, künftig von weiteren Industriegebieten im reizvollen Neckartal abzusehen. Mit der aktuellen Planung des Industriegebietes Benzäcker in Mundelsheim findet dieser Kerngedanke im Übrigen seine Fortsetzung.
2. Umweltbelastung, insbesondere Luft und Verkehr
Der Klärschlamm soll aus einem Umkreis von 100 Kilometern mit täglich bis zu 60 LKW (=120 Fahrten) nach Walheim verbracht werden, über jetzt schon völlig überlastete Verkehrswege wie die B 27 oder der Autobahnzubringer von der Abzweigung Mundelsheim über die Neckarbrücke bei Kirchheim. Von diesen 120 LKW-Fahrten geht nicht nur ein erhebliches Maß an Schadstoffemissionen insbesondere bei Inversionswetterlagen, sondern aufgrund der Topgraphie auch eine massive Lärmbelästigung aus.
Nach einer landesweiten Übersicht der „Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V.“ (DWA) fehlen offensichtlich in den Regionen Heilbronn-Franken und Ostwürttemberg Standorte für deren regionale Klärschlammverbrennung. Deshalb soll der Klärschlamm vor allem aus dortigen Kläranlagen angeliefert werden. Jährlich 180.000 Tonnen Klärschlamm mit einem Wassergehalt von 75 % zu trocknen, um ihn dann verbrennen zu können, ist ökologische Wahnsinn. Zudem hat die Region Stuttgart bereits in Stuttgart-Mühlhausen und in Böblingen Standorte für die Verbrennung. Walheim wäre ein dritter Standort und die größte Anlage dieser Art im ganzen Land.
Das bei der Trocknung des Klärschlamms anfallende hochbelastete Abwasser (sogenanntes Brüdenwasser) von 10 Tonnen pro Stunde will die EnBW AG zu der 5 Kilometer entfernten Kläranlage von Bietigheim-Bissingen oder noch weiter entfernt in der Kläranlage Heilbronn transportieren, da hierfür eine große Kläranlage benötigt wird. Dazu müsste nach Stand der Technik von Walheim durch Besigheim eine neue Leitung gebaut werden. Stattdessen soll der Abtransport bis auf Weiteres und ohne zeitliche Limitierung mit täglich zusätzlich 15 Gefahrgut-Tank-LKWs bewerkstelligt werden. Dies ist ein klarer Hinweis darauf, dass die Klärschlammverbrennung in unmittelbarer Nähe einer großen Kläranlage erfolgen sollte, was in Walheim nicht gegeben ist. Diese zusätzliche Belastung der Region mit weiteren 30 LKW-Fahrten zeugt von großer Ignoranz gegenüber elementaren ökologischen Grundwerten der baden-württembergischen Regierungsparteien.
Der Ausstoß an Luftschadstoffen wird unterhalb der vorgeschriebenen Maximalgrenzwerte nach Bundes-Immissionsschutz-Verordnung (BImSchV) bleiben. Die jährliche Schadstofffracht beim vorgesehenen 24-Stunden-Betrieb an 365 Tagen liegt nach eigenen Hochrechnungen der BI für neun Stoffe (Chlor, Schwefel, Quecksilber etc.) bei rund 74 Tonnen. Die EnBW AG hat zwischenzeitlich für Staub, Quecksilber und Stickoxid eine Masse von 25 Tonnen bestätigt. Die restlichen Tonnagen sollen von der EnBW AG erst nach Abschluss der noch laufenden Gutachten beziffert werden.
Beim Scopingtermin am 26.10.2022 im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung wurde der erhebliche Ausstoß großer Mengen an Lachgas aus dem Betrieb diskutiert. Offenbar gibt es dafür noch keine Grenzwertfestlegungen. Die Auswirkungen auf die Umwelt sind nicht hinlänglich erforscht. Deshalb ist die EnBW AG aufgefordert, diesbezüglich ein Umweltgutachten in Auftrag zu geben.
Die EnBW AG propagierte das Projekt auch mit dem Hinweis, dass in Walheim ein bedeutsamer Standort für Umwelttechnik mit qualifizierten Arbeitsplätzen entstehen würde. Zusätzlich zur Klärschlammverbrennung wären noch das Recycling von Phosphor und anderes im Gespräch. Dem wurde bei der Dialogveranstaltung am 1. April 2022 in Walheim von Dr. Werner Maier/DWA entschieden widersprochen, da chemische Industrieanlagen wegen der nahen Wohngebiete rechtlich gar nicht möglich seien. Noch während der Veranstaltung bestätigte damals die EnBW, dass kein Recycling von Phosphor (mehr) am Standort Walheim geplant werde. Stattdessen sollen die jährlich ca. 25.000 Tonnen Klärschlammasche solange auf auswärtigen Deponien gelagert werden, bis eine großtechnische Weiterverarbeitung möglich ist.
Auf Basis einer wasserschutzrechtlichen Genehmigung wurden im Spätherbst 2023 auf dem Betriebsgelände neben der geplanten Fundamentplatte 5 Probe- und 7 Reaktionspfähle eingebracht, 26 m tief und bis zu 120 cm dick. Unmittelbar nach dem Ende der massiven Tiefbohr- und Rammarbeiten sind Mitte Dezember 2023 in knapp 300 m Entfernung auf der Gemmrigheimer Talseite ein Teil der Steillage mit uralten Weinbergmauern eingestürzt und für immer verloren. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Bohrungen, Hangrutsch- und Mauersturz ist nicht abschließend geklärt.
3. Energieausbeute und Klassifizierung der geplanten Anlage
Die EnBW AG kommunizierte bisher, dass der bei der Mono-Klärschlammverbrennung erzeugte Strom für den Betrieb der Anlage benötigt werde. In der Tat ist zur Trocknung des Klärschlamms mit bis zu 75 % Wassergehalt viel Energie erforderlich. Überraschend rückt neuerdings die EnBW AG davon ab und erklärt, dass damit 450 Haushalte mit Strom versorgt werden könnten. Das Unternehmen will wohl erreichen, dass die Klärschlammverbrennung als Projekt zur Elektrizitätsversorgung eingestuft wird, für die das Gelände seit den 60er Jahren genutzt wird.
Die Aussage der EnBW AG, mit der bei der Verbrennung entstehenden Abwärme ca. 300 Haushalte mit Nahwärme versorgen zu können, geht einher mit der geänderten Nomenklatur eines „Klärschlammheizkraftwerkes“. Für die Abnahme der Nahwärme besteht in den Wohngebieten von Walheim jedoch keine Infrastruktur. Es müssten Leitungen im seit Jahrhunderten gewachsenen Ortskern und in den angrenzenden inzwischen auch schon älteren Baugebieten verlegt werden. Neubaugebiete sind nicht geplant und durch die Topografie so gut wie ausgeschlossen. In Kirchheim und Gemmrigheim vorhandene kleine Nahwärmenetze werden bereits über existierende Kleinkraftwerke versorgt. Für deren Anbindung wären zusätzliche kilometerlange Fernwärmeleitungen erforderlich.
Die von der Anlage hauptsächlich produzierte Energie ist Wärme,die durch die Klärschlammverbrennung entsteht. Eine realistisches Wärmenutzungskonzept fehlt. So ist zum Beispiel eine Anpassung des Betriebs an heizungstypische saisonale Schwankungen der noch zu findenden Abnehmer nicht vorgesehen. Bei Nichtabnahme der erzeugten Abwärme wird billigend in Kauf genommen, die Wärme an die Umwelt abzugeben und so einen weiteren Beitrag zur Erderwärmung zu leisten.
Die BImSchV klassifiziert sogenannte Mono-Klärschlammtrocknungs- und Verbrennungs-anlagen des in Walheim vorgesehen Typs eindeutig als Abfallentsorgungsanlage und nichts anderes. Auch dies wurde am 1.4. 2022 von Dr. Maier/DWA gegenüber der EnBW AG eindeutig klargestellt.
4. Widerspruch zu bestehenden, gültigen Plänen
Das EnBW-Gelände in Walheim ist im Regionalplan als Vorranggebiet für regional bedeutsame Kraftwerke ausgewiesen. Selbst wenn „interlokal“ wenige Haushalte angebunden werden könnten, ist die Anlage zur Trocknung und Verbrennung von Klärschlamm niemals ein regional bedeutsamer Kraftwerksbetrieb. Das Gelände der EnBW AG in Walheim ist weder im Regionalplan noch im FNP des GVV Besigheim für Abfallverwertung vorgesehen.
Damit ist aus Sicht der BI ein Widerspruch zum Regionalplan gegeben. Die Argumentation, dass nach Errichtung einer KVA noch genügend Platz für regional bedeutsame Kraftwerksanlagen frei bleibt, kann schon allein deshalb nicht greifen, da derzeit noch gar nicht bekannt ist, welche Flächen moderne, die Kohle- und Ölverstromung ablösende Systeme wie etwa Brennstoffzellentechnik oder Wasserstoffverstromung benötigen werden.
Im jetzt bis 2035 fortgeschriebenen FNP des GVV Besigheim ist die dort gelb eingefärbte Fläche in der zugehörigen Legende zwar mit Versorgungsanlagen, Abfallentsorgung und Abwasserbeseitigung überschrieben. Die konkrete Nutzung ist jedoch mit den Planzeichen für Elektrizität und Umformung spezifiziert. Diese entspricht dem ursprünglichen Planungswillen der Kommunen in den 60er Jahren sowie dem der heutigen Anlieger-Gemeinden, der zu den 2021 getroffenen Entscheidungen der Ablehnung führte. Um die durch die EnBW AG in die Diskussion gebrachte erweiterte Nutzung durch Abfallentsorgung gegen ihren Willen auszuschließen, beschlossen die Gemeinderatsgremien von Besigheim, Gemmrigheim und Walheim entsprechende Ergänzungen im Rahmen des Verfahrens zur Fortschreibung des FNP im GVV. Der GVV hat in seiner Sitzung vom 19.09.2022 entschieden, die Zweckbestimmung Elektrizität für die Kraftwerksfläche in Walheim im Satzungsbeschluss 2023 weiter fest zu schreiben.
In den Unterlagen zur Prüfung der Umweltverträglichkeit der geplanten KVA nimmt die EnBW AG erneut nur auf die Überschrift der Flächenausweisung (Versorgungsanlagen, Abfallentsorgung, Abwasserbeseitigung) im FNP Bezug. Die dort explizit aufgeführte spezifische Kennzeichnung „Elektrizität“ wird nicht diskutiert. Stattdessen wird zum ersten Mal im Scopingpapier das Bauvorhaben bauplanungsrechtlich als unbeplanter Innenbereich gemäß § 34 Abs.1 BauGB ausgewiesen. Damit wurde vermutlich versucht, die in FNP und Regionalplan getroffenen Vorschriften außer Kraft zu setzen und die kommunale Planungshoheit zu unterlaufen.
Mit einem Zielabweichungsverfahren versucht nun die EnBW AG erneut, die Planungsbehörde zu veranlassen, die Planungshoheit und bisherigen Festlegungen von VRS , Standortgemeinde und GVV Besigheim außer Kraft zu setzen und die Missachtung langjährig geltender Regeln zu ratifizieren.