Faktencheck
Wissen was stimmt.

Energie-Erzeugung und Restwärme

EnBW AG

„Kann mit der Anlage Energie erzeugt werden? 
Ja, die Anlage kann dezentral grüne Energie in Form von Wärme und ausreichend Strom zur Eigenversorgung erzeugen. (…) Die entstehende Wärme in der Anlage kann zur Nahwärmeversorgung umliegender Gemeinden genutzt werden.“ 

Check der Bürgerinitiative
Die „dezentral grüne Energie in Form von Wärme“ ist die anfallende sogenannte Restwärme der Klärschlammverbrennung. Verschwiegen wird, dass weder in Walheim ein Nahwärmenetz vorhanden oder geplant ist noch in Kirchheim oder Gemmrigheim aufgrund vorhandener Kleinkraftwerke in den bestehenden Netzen Bedarf an zusätzlicher Nahwärme besteht. Wohin die erheblich anfallende Restwärme konkret abgeleitet wird, erläutert die EnBW AG nicht.

Was ist ein Klärschlammheizkraftwerk statt 
einer Mono-Klärschlammtrocknungs- und -verbrennungsanlage (KVA)?

EnBW AG
„Moderne Klärschlammverbrennungsanlagen – (…) Damit soll das Klärschlammheizkraftwerk in Walheim einen wichtigen Beitrag für eine nachhaltige Energiewende leisten, lokale Interessen unterstützen und so auch weit über die regionalen Grenzen hinaus Beachtung finden.“

Check der Bürgerinitiative
Mit der Umetikettierung der KVA in ein „Klärschlammheizkraftwerk“ erfindet die EnBW AG ihre Industrieanlage zur Abfallentsorgung neu. Sie versucht damit, der Ausweisung des Kraftwerkstandortes Walheim im Flächennutzungsplan ausschließlich zur Energiegewinnung und -transformation zu entsprechen. Die Stromerzeugung der geplanten KVA dient jedoch fast ausschließlich der Eigenversorgung und für die entstehende Restwärme gibt es derzeit keinerlei Abnehmer. Die Aussage der EnBW AG, „lokale Interessen zu unterstützen“, widerspricht den ablehnenden Gemeinderatsbeschlüssen der Gemeinden Walheim, Gemmrigheim und Kirchheim am Neckar sowie der Stadt Besigheim. Bei ihren Projekt-Präsentationen sprach die EnBW AG zunächst auch von „positiven Signalen“ der Gemeinde Walheim, belegen wurden sie bisher jedoch nicht. Fast 3.500 Unterschriften unter der BI-Petition „NEIN zur Klärschlammverbrennung am Standort Walheim / FÜR eine nachhaltige Umgestaltung“, davon über 1.100 Unterschriften aus Walheim und über 1.450 aus Gemmrigheim, belegen vielmehr das Gegenteil.

BI-Vision der Umgestaltung der EnBW-Kraftwerkfläche mit einem Mix aus Wohnen, Dienstleistung und Kleingewerbe

EnBW AG und Region Stuttgart
Beide halten weiterhin an der jetzigen Nutzung der Kraftwerkfläche im Flächennutzungsplan (FNP; gelb markierte Fläche) des Gemeindeverwaltungsverbandes Besigheim fest.

Ergänzung der Bürgerinitiative
Die BI geht inzwischen davon aus, dass die jetzige Ausweisung der Kraftwerkfläche auch bei Fortschreibung des FNP 2020 bis 2035 weiterhin Bestand haben wird. Insofern sind der Beschluss des Gemeinderats Walheim und die BI-Vision mittelfristig (noch) nicht umsetzbar, belegt jedoch den erklärten Willen, die nachhaltige Umgestaltung (ökologisch, ökonomisch und sozial) des Kraftwerkgeländes langfristig Schritt für Schritt voranzutreiben. Dazu gehört auch, zu verhindern, dass der im FNP ausgewiesene Kraftwerkstandort zur Energiegewinnung und -transformation nicht zusätzlich um Abfallentsorgung erweitert wird.

Geruchsbelästigung

EnBW AG
„Wie stark riecht die Anlage? Die Anlage riecht nicht – das stellt ihre ausgeklügelte technische Auslegung sicher.“

Check der Bürgerinitiative
Klärschlamm kann extrem riechen. Selbst wenn der Geruch der Anlage im Normalbetrieb durch eine Schleuse mit Unterdruck technisch ausgeschlossen wird, können gelegentliche Störfälle nicht gänzlich vermieden werden. Zudem wird der Klärschlamm durch LKWs mit Planen-Abdeckung transportiert. Da selbst ein ausgeklügelter Anfahrt-Zeitplan nicht verhindern kann, dass sich LKWs vor der Anlage stauen, ist mit Geruchsaustritten zu rechnen, insbesondere bei hohen Außentemperaturen im Sommer. Auch ist nicht geklärt, inwieweit sichergestellt ist, dass nur vollkommen ausgefaulter Klärschlamm angeliefert wird. Denn die nächste Wohnansiedlung der Nachbargemeinde Gemmrigheim liegt nur ca. 300 m entfernt. 

Einzugsgebiet der Klärschlammanlieferung

EnBW AG
„Woher kommt der Klärschlamm? (…) Denn eine räumliche Nähe ist wichtig, um zu vermeiden, dass das Abfallprodukt mit LKW quer durch die Republik transportiert werden muss. (…) Die Anlage in Walheim soll zukünftig Klärschlämme aus dem kommunalen Bereich im nördlichen Baden-Württemberg entsorgen.“

Check der Bürgerinitiative
Gleichzeitig unterlässt es die EnBW AG, zu erwähnen, dass der Klärschlamm für die KVA in Walheim aus einem Umkreis von 100 km angeliefert werden soll. Durch die Ablehnung der EnBW-AG-Pläne einer KVA in Heilbronn (Region Heilbronn-Franken) soll der ursprüngliche Standort nun in die Region Stuttgart nach Walheim verlegt werden. Da die Regionen Heilbronn-Franken und Ostwürttemberg keine eigenen KVA-Standorte anbieten, soll Walheim dafür herhalten. Dabei sind in der Region Stuttgart bereits die KVA in Stuttgart-Mühlhausen vorhanden und in Böblingen in der Umsetzung. Deshalb besteht der so große Umkreis; so hat z. B. auch Schorndorf bereits Bedarf angemeldet.

Klärschlamm nur aus kommunalen Klärwerken?

EnBW AG
„Im neuen Heizkraftwerk (…) soll zukünftig Klärschlamm aus kommunalen Kläranlagen verbrannt und die regionale Entsorgung damit gesichert werden.“

Check der Bürgerinitiative
Eigner der KVA wird die EnBW AG sein. Die EnBW-Tochtergesellschaft  Mobile Klärschlammentwässerung (MSE) wird die Klärschlammanlieferung betreiben und entsprechende Verträge schließen, die –  vor allem bei zu geringem kommunalen Klärschlammaufkommen – auch industrielle Klärschlämme umfassen kann. Allerdings hat die EnBW AG inzwischen klargestellt, dass in der geplanten KVA in Walheim nur kommunaler Klärschlamm getrocknet und verbrannt werden soll. 

Lärm und Verkehrsbelastung

EnBW AG
„Wieviele LKW werden durch Walheim fahren? Pro Tag/proWoche/pro Jahr? Viele der Klärschlämme, die zukünftig in Walheim angeliefert werden sollen, werden bereits jetzt über die B27 transportiert. Aus diesem Grund wird nicht erwartet, dass sich das Verkehrsaufkommen bemerkbar erhöht. Vor allem erfolgt kein Anlieferverkehr durch den Ortskern der Gemeinde Walheim. Pro Tag ist im Mittel von 45 LKW auszugehen, die das Kraftwerksgelände für die Anlieferung und den Abtransport aller Betriebsstoffe anfahren.“

Check der Bürgerinitiative
Unbestritten ist, dass Klärschlämme bereits jetzt über die B27 – auf der gesamten Länge der B27 von Blankenburg im Harz bis zur Schweizer Grenze bei Lottstetten, transportiert werden, nicht jedoch mit dem Endziel KVA Walheim. Die Klärschlammanlieferung erfolgt im Regelfall montags bis freitags von 6-18 Uhr, bei Staus oder Fahrzeugdefekten bis 22 Uhr, bei arbeitsfreien Werktagen auch samstags, mit im Mittel 45 und in der Spitze bis zu 60 LKWs. Ohne Abstand aneinandergereiht entspricht dies einer LKW-Schlange von etwa 1,2 Kilometern für die Anlieferung und nochmals 1,2 Kilometer für die Rückfahrt. Die insgesamt bis zu 120 Fahrten führen auf der B27 zu erhöhter Lärm- und Verkehrsbelastung vor allem in und um die Gemeinde Kirchheim am Neckar und entlang dem Neubaugebiet im Walheimer Norden. Lärmbelastend kommt hinzu, dass die B27 am Ortsende Walheim einen erheblichen Anstieg bzw. in der Gegenrichtung ein erhebliches Gefälle aufweist. Eine Verladung von Klärschlamm auf den Bahn- oder Schiffsverkehr ist nicht möglich, so die EnBW AG. Zusätzlich fallen täglich bis zu 30 Hin- und Rückfahrten für die Entsorgung des Brüdenwassers von Walheim zu den Kläranlagen Nesselwörth / Bietigheim-Bissingen bzw. nach Heilbronn an.

Dabei könnte die Kapazität der KVA von 180.000 Tonnen angeliefertem, entwässertem Klärschlamm (Trockensubstanz 25 %) auf 50.000 Tonnen trockenem Klärschlamm (Trockensubstanz 90 %) pro Jahr verringert werden, wenn die Klärschlammtrocknung dezentral – wie z.B. in der Gemeinde Kirchheim am Neckar – und nicht zentral in der KVA Walheim erfolgen würde.

 

Gesetzliche Verpflichtung, ab 2029 den im Klärschlamm enthaltenen Phosphor zu recyceln

Check der Bürgerinitiative
Die Aussage ist unbestritten, kann jedoch missverstanden werden. Die Verantwortung für die Klärschlammverwertung liegt allein bei den Kommunen vor Ort bzw. Planung dafür bei den jeweiligen Regionen in Baden-Württemberg. Die Erhebung der anfallenden Klärschlämme heute und Prognosen für die Zukunft und daraus folgend die Klärung der Bedarfe an Klärschlammverwertungsanlagen (KVA) liegen beim Land. 

Die EnBW AG ist weder zur kommunalen Klärschlammverwertung gesetzlich verpflichtet noch dafür zuständig. In der Regel schreiben kommunale bzw. interkommunale Abfallentsorgungszweckverbände die Errichtung und/oder den Betrieb von KVAs aus, auf die sich Unternehmen bewerben können. Die EnBW AG ist also lediglich ein Unternehmen, das seine Dienstleistung, z. B. den Bau und Betrieb von Anlagen zur Klärschlammverwertung (idealerweise auf eigenem Betriebsgelände wie z. B. am Standort Walheim) anbietet und verständlicherweise unternehmerisch dafür wirbt.